Rassismus betrifft alle

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Fachtag-Reihe Demokratie und Menschenwürde 2020

Kreis Groß-Gerau – Ob Schwarze, People of Color oder weiße Mitglieder der Gesellschaft: Jede*r ist auf eine unterschiedliche Art von Rassismus betroffen. Die Einen erleben es am eigenen Leibe oder haben Angehörige durch rassistische Angriffe verloren. Die Anderen sind betroffen, weil sie rassistische Angriffe und Diskriminierungen beobachten und aktiv dagegen vorgehen möchten. Viele Menschen sind außerdem von Rassismus betroffen, weil sie gewollt oder ungewollt von rassistischen Strukturen profitieren.

„Die Betroffenenperspektive in den Mittelpunkt rücken: Wie geht das?“ war der Titel des Online-Talks, der am 24. September 2020 im Rahmen der Fachtag-Reihe „Demokratie und Menschenwürde 2020: Kein Platz für Hass“ stattgefunden hat. Olivia Sarma, Leiterin der Beratungsstelle für Opfer von rassistischer Gewalt, response-hessen, und Doktorin Harpreet Cholia, Leiterin des Teams Diversität und Demokratie der Bildungseinrichtung GFFB und Vorstandsvorsitzende des Hessischen Flüchtlingsrats, referierten.

Zu Beginn des Talks wurde darüber diskutiert, was es bedeutet, von Rassismus betroffen zu sein, und welche langfristigen Konsequenzen Rassismuserfahrungen für die betroffenen Menschen und die Gesellschaft insgesamt haben. „Wir müssen den Menschen erstmal einen geschützten Raum bieten, also eine Community sein“, sagte Harpreet Cholia, die sich am Online-Talk als Vertreterin der Initiative 19. Februar Hanau beteiligt hat. Sarma und Cholia berichteten auch von ihren Erfahrungen direkt nach dem schrecklichen Anschlag in Hanau am 19. Februar, da beide als Beraterinnen vor Ort waren und bis heute die Angehörigen und Betroffenen begleiten und unterstützen.

Strategien, um die Betroffenenperspektive in den Mittelpunkt zu rücken und für die Betroffenen eine Community zu sein, gibt es viele. Zu den wichtigsten zählt, Menschen zuzuhören und zu verstehen, was es mit ihnen macht: Sie fühlen sich nicht nur ausgeschlossen, sondern erleben einen massiven Vertrauensverlust in ihr Umfeld oder die öffentlichen Strukturen; gerade dann, wenn die Menschen im Umfeld schweigen, wegsehen oder die Erfahrungen der von Rassismus Betroffenen nicht ernst nehmen. Weitere wichtige Strategien sind, sich des eigenen Sprachgebrauchs bewusst zu werden sowie Rassismus- und diskriminierungsfrei zu sprechen. Zu den Strategien gehört natürlich auch, rassistische Strukturen zu erkennen und sie beim Namen zu nennen.

„Jede*r hat einen Auftrag. Jede*r kann etwas unternehmen“, sagte Olivia Sarma. Im Alltag können alle Mitglieder der Gesellschaft in ihrem Freundeskreis, in der Familie, im Verein oder im Beruf ihr Umfeld sensibilisieren und informieren, wenn mal wieder ein rassistischer Witz erzählt wird oder sie strukturellem Rassismus begegnen. Gerade die Sensibilisierung im eigenen Umfeld erfordert viel Kraft und Stärke, da man die eigene Komfortzone verlassen und eventuell Konflikte in Kauf nehmen muss. „Natürlich ist es ist sehr mühsam! Ich bin meistens auch die nervige Freundin, die schon wieder mit dem Thema kommt. Aber es lohnt sich. Denn es bewegt sich etwas in den Köpfen“, berichtet Nilüfer Kuş, Koordinatorin der Fachstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus des Kreises Groß-Gerau, von ihren eigenen Erfahrungen. Sie moderierte auch diesen Online-Talk.

Er war die letzte Veranstaltung des dreiteiligen Fachtags für Demokratie und Menschenwürde 2020. Die Fachtags-Reihe begann am 15. September mit dem Vortrag „Der Ursprung des Rassismus und die Kontinuitäten des (Kolonial-) Rassismus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft“ von Doktorin Ece Kaya. Sie stellte dar, wie struktureller Rassismus in unserer Gesellschaft seit der Kolonialzeit bis heute fortbesteht und immer wieder von neuem reproduziert wird.

Am 17. September waren Sarah Haupenthal von der Amadeu Antonio Stiftung und Ansgar Drücker vom Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit im selben Online-Konferenzraum und sprachen darüber, was rassistischer Terror bzw. rechter Terror ist und wie der Nährboden des Hasses gelegt wird. Ausgiebig geredet wurde in diesem Talk darüber, inwieweit rassistische Strukturen und auch mediale Berichterstattung bestimmte Menschen in ihren rechtsextremen Ideologien bestärken und deren Handlungen beeinflussen – sodass es im schlimmsten Fall zu rassistischen Bluttaten kommt.

Unter dem Grundsatz „Kein Platz für Hass“ wurde der Fachtag für Demokratie und Menschenwürde 2020 von der Fachstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus des Kreises in Kooperation mit der Kreisvolkshochschule Groß-Gerau veranstaltet. Die Organisatorinnen Sedef Yıldız, Bettina Krauß und Nilüfer Kuş beendeten die Fachtag-Reihe mit der Aussicht, dass sie weiter an den Themen dranbleiben und vertiefende Veranstaltungen planen werden.

ggr

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