Informationen über Klinikumbau

„Raum und Geld auch fürs Soziale“

Kreis Groß-Gerau– Medienvertretern hatten Geschäftsführerin Prof. Dr. Erika Raab und Landrat Thomas Will den geplanten Umbau der Kreisklinik Groß-Gerau zu einem regionalen Versorgungszentrum mit Pflege, Hospiz, Präventions- und Reha-Angeboten bereits vorgestellt – nun standen die beiden, unterstützt von Moderator Udo Döring, interessierten Bürgerinnen und Bürgern im gut besetzten Büchner-Saal des Kreishauses Rede und Antwort. Die endgültige Schließung der Gynäkologie war in der sehr sachlich geführten Diskussion dabei das zentrale Thema. Die Krankenkassen haben derweil ihre Zustimmung zu dem „Globalbudget“ signalisiert, mit dem das Krankenhaus künftig finanziert werden soll. 

Gynäkologie und Geburtshilfe seien bei rund 500 Geburten im Jahr „wirtschaftlich, qualitativ und haftungsrechtlich“ nicht mehr tragbar – auch wegen der gestiegenen fachlichen Anforderungen und des dramatischen Fachkräftemangels gerade bei den Hebammen, so Raab. „Wir müssen allein zehn Fachärzte vorhalten, um die Dienste rund um die Uhr abzudecken, das können wir nicht.“ Der Verlust allein der Geburtshilfestation betrage rund zwei Millionen Euro im Jahr. Der Wegfall der Geburtenstation stößt vielen Frauen bitter auf. „Das Konzept hört bei der Geburt auf“, sagte eine Bürgerin in der Diskussion und traf damit den wunden Punkt.

„Wir Eltern wollen Kinder nicht in riesigen Geburtsfabriken zur Welt bringen“, so eine Mutter. Eine Online-Petition gegen die Schließung der beliebten Geburtenstation ist gestartet. Viele Rednerinnen und Redner äußerten zudem deutliche Kritik am Gesundheitssystem, das zu sehr in marktwirtschaftlichen Kategorien denke. Auch Raab sprach von „Fehlentwicklung im System“. Mit dem Zukunftskonzept wolle sich die Klinik aus dem System lösen. „Die Geburtshilfe ist ein hochemotional besetztes Thema“, sagte Landrat Will, der seit 2013 Aufsichtsratsvorsitzender der Klinik ist und seit vielen Jahren für den Erhalt der Kreisklinik mit Entbindungsstation gekämpft hat.

Für ihn geht es jetzt ums Ganze: Eine Schließung des kompletten Krankenhauses ist für den Landrat keine Lösung. Gerade für die Versorgung des Südkreises sei die Klinik immens wichtig, so Will. Er setzt nun darauf, dass der Kreistag am 9. Dezember dem Zukunftskonzept für die Klinik zustimmt. „Die Schließung der Klinik ist meine Sache nicht“, betonte er: „Die Entscheidung trifft aber letztendlich der Kreistag.“

Geplant ist künftig, nicht nur bei den Geburten, eine enge Kooperation mit dem GPR-Klinikum Rüsselsheim. Landrat Will, dessen Enkel vor wenigen Monaten in der Kreisklinik zur Welt kam, will die Möglichkeit außerklinischer Geburten etwa in Geburtshäusern prüfen lassen. „Dazu muss allerdings ein Träger gefunden werden, und auch das muss politisch entschieden werden“, so der Landrat. Viel Beifall gab es, als Raab und Will das Engagement der Beschäftigten in der Geburtenabteilung herausstellten. „Das Personal ist klasse, top. Doch die gesetzlichen Strukturen lassen uns keinen Handlungsspielraum.“

Den erhoffen sich die Verantwortlichen mit dem neuen Klinik-Konzept, das im Zuge eines Modellprojekts realisiert werden soll. Nach Gesprächen mit dem hessischen Sozialministerium und den Krankenkassen wächst die Zuversicht, dass man mit einem noch zu verhandelnden Globalbudget der Kassen für die Grundversorgung weiterarbeiten kann. Statt mit Fallpauschalen könnte die Klinik mit diesem Globalbudget arbeiten. Die Umstrukturierung soll bereits im kommenden Jahr greifen. Innere Medizin, Chirurgie, Notaufnahme, Radiologie und kleine Intensivstation sollen Teil der neuen Klinik sein – gleichzeitig wird viel Wert auf die Pflege gelegt.

„Beschützende Pflege“ gerade bei Krankheiten wie Demenz anzubieten, das ist integraler Teil des Konzepts. Das konnte bislang über Fallpauschalen nicht abgerechnet werden. „Was das Krankenhaus unwirtschaftlich macht, ist das Soziale“, kritisierte Raab, die selbst Medizin-Controllerin ist. „Wie versorge ich meine Bürgerinnen und Bürger? – das ist die Frage, die sich der Kreis stellen muss“, so Will. „Ohne Zuschuss des Kreises wird das Krankenhaus auch in neuer Form nicht zu finanzieren sein“, sagte Will. Im „unteren einstelligen Millionenbereich“ sollte sich der Betrag einpendeln. Auf die Frage des Moderators, was sie sagen würde, wenn man sich nach zwei Jahren wieder träfe, sagte Klinikchefin Raab optimistisch: „Wir haben uns was getraut“.

ggr

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Intensive Debatte: Klinikchefin Prof. Dr. Erika Raab (links) und Landrat Thomas Will (rechts) diskutierten im Kreishaus das neue Klinikkonzept mit Bürgerinnen und Bürgern. Moderator Udo Döring (Mitte) steuerte die lebhafte Diskussion. Foto: Kreisverwaltung

 

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