Fast wie der FC Bayern

Ruben Döring, Chefrainer der ID-Mannschaft. Foto: Stephan Köhnlein

Darmstadt 98 hat jetzt eine Fußball-ID-Mannschaft

Als erster deutscher Profiverein geht der SV Darmstadt 98 mit einer Mannschaft für Menschen mit intellektuellen Defiziten an den Start. Cheftrainer der Fußball-ID-Mannschaft ist Ruben Döring (27). In einem Interview des Online-Magazins Lilienblog spricht er über eine bereits erfolgreiche Fußball-Mannschaft zwischen Normalität und besonderen Herausforderungen.

Ruben, was bedeutet die Bezeichnung Fußball-ID?

ID kommt vom englischen „intellectual deficit“ und heißt intellektuell beeinträchtigt. Bei uns kann jeder mit einem Intelligenzquotienten unter 75 mitspielen. Wenn wir sagen würden, wir wären eine Behindertenmannschaft, dann würden sich einige der Jungs und Mädels in der Mannschaft vor den Kopf gestoßen fühlen.

Wie bist Du zu diesem Sport gekommen?

Über die Lilien selbst. Das war am ersten Spieltag nach der Bundesliga-Rückkehr gegen Hannover 96 im Sommer 2015. Mein Vater sitzt im Rollstuhl, deswegen war ich am Spielfeldrand und habe Wolfgang Scharf angesprochen, den Vorsitzenden des VSG Darmstadt, der Sport für Menschen mit und ohne Handicap anbietet. Der hatte bei dem Spiel den Scheck aus der PEAK-Spendenaktion entgegengenommen. Schließlich habe ich für den VSG zusammen mit einem Freund eine Fußball-ID-Mannschaft aufgebaut.

Wie war das am Anfang?

Ich erinnere mich noch an das erste Training in der Turnhalle eines Gymnasiums hier in Darmstadt: keine Tore, nur Basketballkörbe, auf der Bühne in der Halle standen dauerhaft Musikinstrumente, da haben wir mit sechs Jungs angefangen. Doch das hat sich entwickelt: Wir sind amtierender Titelträger des Hessischen Hallenpokals, des Hessenpokals und der Hessenliga. Wir sind also in Hessen quasi der FC Bayern des Fußball-ID (lacht). Zum 31. März wurde dann die Abteilung bei den Lilien gegründet, wo wir jetzt eine neue Heimat gefunden haben.

Was ist anders bei einem ID-Fußball-Spiel?

Wir haben kein Abseits und keine Rückpassregel. Ansonsten stehen je nach Spielfeldgröße in der Regel neun Menschen pro Mannschaft auf dem Platz, in der Halle sind es vier. Das hängt auch damit zusammen, wie viele Spieler der Gegner zusammenbekommt. Wir haben da über Jahre hinweg mit die meisten Spieler. Und den höchsten Frauenanteil.

Trainiert Ihr anders als andere Mannschaften?

Von den Inhalten nein. Wir machen uns warm, wir trainieren Pässe, Schüsse, Beweglichkeit, Zweikämpfe. Am Ende haben wir immer eine Spielform. Die Übungen selbst bauen wir allerdings so auf, dass sie nicht zu komplex sind. Sonst steigen die Spieler früher oder später aus. Teilweise machen wir eine Übung auch erst mit dem Ball in der Hand, bevor wir es mit dem Fuß versuchen. Das ist dann leichter zu lernen. Wirklich schön ist, dass Du bei den Spielern Fortschritte siehst.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie für Euch?

Seit wir im Herbst Hessenmeister geworden sind, haben wir nicht mehr gespielt. Wir wollen langsam wieder ins Kleingruppen-Training einsteigen, alles angepasst an die geltenden Bestimmungen. Die Jungs und Mädels sind heiß, die wollen wieder auf den Platz. Aber wir rechnen wegen der langen Pause mit großen Rückschritten bei den Fähigkeiten. Das, was Du Dir über ein Jahr aufbaust, kannst Du in zwei Wochen vergessen. Im Moment hoffe ich, dass wir im Mai wieder alle gemeinsam trainieren können. Wenn wir dann als Gruppe auf dem Platz stehen, werde ich mir das eine oder andere Tränchen sicher nicht verkneifen können.

Von Stephan Köhnlein

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