Aufklärungsarbeit tut not

Fachtag zum Tag gegen antimuslimischen Rassismus

Kreis Groß-Gerau – Vor zwölf Jahren, am 1. Juli 2009, wurde die damals schwangere Marwa El Sherbini im Dresdner Landgericht vor den Augen ihres Sohnes und ihres Mannes von einem Rassisten mit 18 Messerstichen ermordet. Die aus Ägypten stammende Frau sollte an diesem Tag gegen den Mann aussagen, der sie mehrfach rassistisch beleidigt hatte. Der 1. Juli gilt seitdem als Tag gegen antimuslimischen Rassismus und gedenkt aller Muslim*innen, die wegen ihres Glaubens bedroht, beleidigt oder getötet wurden. Auch heute ist antimuslimischer Rassismus in unserer Gesellschaft noch allgegenwärtig.

Aus diesem Grund veranstaltete die Fachstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus des Kreises Groß-Gerau am 29. Juni einen Fachtag zum Thema. „Aufklärungsarbeit ist wichtig, um antimuslimischen Rassismus erst erkennen und von anderen Rassismusformen unterscheiden zu können“, betont Lena Müller, die den Fachtag gemeinsam mit dem Team des Büros für Integration des Kreises gestaltet hat.

In einem einführenden Vortrag erklärte die Politikwissenschaftlerin Ouassima Laabich-Mansour, dass die Unterdrückung von Muslim*innen bzw. generell die Unterdrückung von Menschen bestimmter Religionszugehörigkeit nicht erst in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden ist. „Die Unterdrückung von Muslim*innen reicht bis in die Zeit des Römischen Reiches und findet seit jeher immer wieder statt. Sei es der Islam oder das Judentum, die als Feindbild genutzt werden.“

Warum es so wichtig ist, sich auch heutzutage gegen antimuslimischen Rassismus einzusetzen, zeigte Hanna Attar von Claim, einer Berliner Allianz, die sich gegen antimuslimischen Rassismus und Islamfeindlichkeit stark macht. Die Claim Allianz koordiniert außerdem die bundesweite Aktionswoche gegen antimuslimischen Rassismus. Das neueste Projekt ist der I Report. Dieser dient der einheitlichen Erfassung von antimuslimisch motivierten Übergriffen und Diskriminierungen.

„Die Dunkelziffer antimuslimisch motivierter Übergriffe und Diskriminierungen ist weit höher als offiziell erfasst“, erklärt Hanna Attar. „Die über www.i-report.eu/melden erfassten Übergriffe und Diskriminierungen fließen in eine Datenbank mit dem Ziel, die Datenlage zu verbessern und damit das Ausmaß und die Dimensionen von antimuslimischem Rassismus sichtbar machen.“

Vor allem der Umgang mit antimuslimischen Rassismus und dessen Verarbeitung ist für Betroffene oftmals eine Herausforderung. Neben der Möglichkeit, sich jemandem anzuvertrauen, den Fall zu melden oder Beratung in Anspruch zu nehmen, hat der Comedian Khalid Bounouar einen ganz anderen Weg gefunden, mit Diskriminierungen umzugehen. Als Teil und Moderator des Ensembles „RebellComedy“ geht er das Thema auf humoristische Weise an. Auch beim Fachtag spielte er auf komödiantische Weise mit den altbekannten Vorurteilen und übte Gesellschaftskritik. Indem er die rund 30 Teilnehmer*innen mit einbezog, gab er Tipps, wie man unangenehmen Situationen ausweichen oder sie kontern kann Etwa so: „Meine Mutter ist in den Siebzigerjahren nach Deutschland gekommen. Das heißt, sie lebt länger in Deutschland als Angela Merkel. Die kam erst nach der Wende nach Deutschland!“. Bounouar sorgte mit seinem halbstündigen Auftritt für eine aufgelockerte Stimmung.

Um das bereits Gelernte auch anwenden zu können, folgte als letzter Programmpunkt ein Workshop gemeinsam mit Rahma e.V., einer Frankfurter Anlauf- und Beratungsstelle für Mädchen und Frauen mit muslimischem Hintergrund, die sich in schwierigen Not- oder Konfliktsituationen befinden und Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Rahma e.V. berät außerdem Fachkräfte, um sie im Umgang mit Betroffenen zu unterstützen. In Kleingruppen konnten die Teilnehmer*innen sich an Fallbeispiele wagen und gemeinsam überlegen, wie sie den jeweils Betroffenen helfen könnten und welche Schritte im Falle ihrer Diskriminierung angebracht wären.

Schnell hat sich gezeigt, dass die Teilnehmer*innen viele gute Ideen haben, aber eben auch, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, den Fall richtig einzuordnen. Havva Deniz, Beraterin bei Rahma e.V., leitete den Workshop und erklärte: „Es gibt natürlich keine Pauschallösungen. Jeder Fall muss individuell betrachtet werden und es muss auf die Bedürfnisse der betroffenen Person geachtet werden.“ Das Plenum war sich einig, dass vor allem durch institutionellen Gegebenheiten viele Hürden für eine gleichberechtigte Teilhabe für Muslim*innen geboten sind.

Gemeinsam soll dieses Thema auch in Zukunft im Kreis Groß-Gerau angegangen werden. Darum arbeitet das Team der Fachstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus schon fleißig an der Fachtagreihe im September, in der es vor allem um institutionellen und strukturellen Rassismus gehen wird. Nähere Informationen finden sich in Kürze auf www.kreisgg.de/netzwerk-demokratie. Zusätzlich bietet das kreisweite Netzwerk gegen Rechtsextremismus und Rassismus Betroffenen von Diskriminierung und Rassismus Beratung an. Über www.NoRa-GG.de können sich sowohl die Betroffenen selbst als auch Unterstützer*innen von Betroffenen im Kreis Groß-Gerau Rat suchen, Vorfälle melden und sich gemeinsam gegen Rassismus engagieren.

ggr

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